"Ein Vorbild für viele Regionen Europas"

EU-Energiekommissar Oettinger informierte sich in Osterburken über Bioenergie-Region – Die Zukunft nicht auf Kernkraft aufbauen

EU-Energiekommissar Günther Oettinger (r.) bei der Netzwerkkonferenz der Bioenergie-Region Hohenlohe-Odenwald-Tauber auf dem Podium im Gespräch mit Moderator Dr. Alexander Dambach und Bürgermeister Jürgen Galm (M.). "Das, was Sie hier machen, ist ein Vorbild für viele Regionen Europas“, lobte Oettinger und machte zugleich deutlich, dass „ein geordneter Ausstieg aus der Kernkraft“ notwendig sei.

„Was Sie hier machen, ist ein Vorbild für viele Regionen Europas“, lobte der EU-Kommissar für Energie Günther Oettinger bei der dritten Netzwerkkonferenz der Bioenergie-Region Hohenlohe-Odenwald-Tauber GmbH (H-O-T) am Freitag in Osterburken. Oettinger informierte sich hier aus erster Hand über die Projekte zur Nutzung Erneuerbarer Energien, die in den beteiligten Kreisen Hohenlohe, Neckar-Odenwald und Main-Tauber in den letzten eineinhalb Jahren entstanden sind.

Der EU-Kommissar für Energie ist in diesen Tagen ein gefragter Mann. Wohl noch nie wurde so viel über die Energieerzeugung jetzt und in der Zukunft gesprochen. Durch die Katastrophen-Ereignisse in Japan und die neu aufgeflammte Diskussion um die Kernenergie war der Anlass des Besuchs in Osterburken, der allerdings schon seit Monaten geplant war, deshalb auch aktueller denn je.

So machte Oettinger deutlich, ein geordneter Ausstieg aus der Kernkraft sei nötig. Die Ereignisse in Japan führten vor Augen, „dass man die Zukunft nicht
mehr auf Kernkraft aufbauen kann.“ Es gelte, Risiken neu zu bewerten.

Mit den Konzepten für nachwachsende Rohstoffe und Erneuerbare Energien
in der Bioenergie-Region sei man hier auf örtlicher Ebene auf dem richtigen Weg. „Wir müssen den Energiebedarf mit mehr dezentralen Lösungen und gemeinsamen europäischen Netzen decken“, sagte der frühere baden-württembergische Ministerpräsident. Bis 2020 sollen 20 Prozent der Energie in Europa aus regenerativen Energieträgern kommen. Nicht jeder brauche Stromaus Großkraftwerken. Eine wichtige Energiequelle bleibe das Energiesparen.

Wie es ohne Kernenergie aussehen kann, demonstrierten H-O-T-Geschäftsführer Sebastian Damm und viele Akteure, die in den Gemeinden der Region an den Projekten beteiligt sind, in der Baulandhalle in Osterburken. Etwa 200 Gäste aus Kommunalpolitik, Land- und Forstwirtschaft, Banken, Naturschutz, Energieerzeugung und aus der Wirtschaft kamen, um zu sehen, welche Konzepte zur Nutzung der Bioenergie in letzter Zeit auf die Beine gestellt wurden.

In der Baulandhallewar ein großes Podium mit fünf Stationen aufgebaut. Moderator Dr. Alexander Dambach präsentierte Oettinger die Bausteine, die die Bioenergie-Region zur „Null-Emissions-Region“ machen sollen. Die Regionalbüroleiter der Kreise stellten sich vor, dann kamen die Vertreter der Bioenergiedörfer zu Wort. Das Bioenergiedorf Siebeneich deckt bereits seinen gesamten Wärme- und Strombedarf aus Biomasse.

Osterburkens Bürgermeister Jürgen Galm stellte das „EU-Leuchtturmprojekt“ des Regionalen Industrieparks Osterburken vor, der ein „Null-Emissions-Gewerbegebiet“ werden soll.

Anschließend musste Oettinger sozusagen „die Schulbank drücken“, denn auch die Schulen der Region sind beteiligt. Mit einem „Bioenergiegarten“ befassen sich die Schüler des Eckenberg-Gymnasiums Adelsheim, aber auch das Ganztagsgymnasium Osterburken und andere Schulen haben das Thema „Bioenergie“ in ihre Stundenpläne mit aufgenommen.

Um Biomasse aus Holz drehte sich der Beitrag von Forstbetriebsleiter Dietmar
Hellmann, während der Rosenberger Bürgermeister Gerhard Baar und Stefan Kaufmann von der Abfallwirtschaftsgesellschaft Neckar-Odenwald das Pilotprojekt „Restmüllfreie Abfallwirtschaft“ vorstellten. Hier wird der Restmüll über zwei Wertstofftonnen erfasst. Der Bürger dient dabei als Lieferant von Bioenergieträgern zur Energieerzeugung. Oettinger zu dem Projekt: „Sie werden sehr ernst genommen und die Chancen stehen gut.“

An einer weiteren Station informiert der Gartenbauwissenschaftler Dr. Richard Schreiber. Er hat einen großflächigen Versuch mit der „Durchwachsenen Silphie“ gestartet, einer Energiepflanze aus Nordamerika, die einen hohen Biomasseanteil hat und daher den Mais für Biogasanlagen ersetzen könnte.

Nachdem Oettinger alle Projekte vorgestellt bekommen hatte, gab es ein Fazit der drei Landräte Helmut Jahn (Hohenlohekreis), Reinhard Frank (Main-Tauber-
Kreis) und Dr. Achim Brötel (Neckar-Odenwald-Kreis). Letzterer war begeistert von der facettenreichen Darstellung des komplexen Themas. „Die Komplimente für die H-O-T bestätigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind.“

Vor der Netzwerkkonferenz in Osterburken gab Oettinger den Startschuss für
das Nahwärmenetz des Ventilatoren-Herstellers Ziehl-Abegg in Schöntal-Bieringen. Die Biogaspark Neckar-Odenwald GmbH, eine Tochterfirma der (Abfallwirtschaftsgesellschaft Neckar-Odenwald) hat dort in Kooperation mit örtlichen Landwirten eine Biogasanlage errichtet, die seit einigen Monaten Strom für 5 000 Menschen und als „Nebenprodukt“ auch Wärme produziert.

Norbert Schuster, Vorstand Technik bei Ziehl-Abegg, erklärte, dass das Unternehmen bis zu 400 000 Liter Heizöl und fast 1000 Tonnen CO2 jährlich dadurch spart, dass künftig Wärmeenergie aus der Biogasanlage für Produktionsprozesse in dem 480 Mitarbeiter zählenden Werk genutzt wird.

Fast 50 Projekte rund um die Erneuerbaren Energien laufen bereits in der Bioenergie-Region, die von den Kreisen Neckar-Odenwald, Main-Tauber und Hohenlohe im Herbst 2009 mit dem Ziel gestartet wurde, gemeinsam eine „Null-Emissions-Region“ zu entwickeln. Schon 2010 hat die H-O-T ihr erstes Ziel erreicht, nämlich: in der Region mit einzelnen Projekten – u.a. Pelletsheizungen, Photovoltaikanlagen und Energieerzeugung aus Wasserkraft – 30 000 Tonnen CO2 pro Jahr zusätzlich einzusparen.

Quelle: Rhein-Neckar-Zeitung